Es liegt in der Natur des Menschen, dass er sich nach Nähe und Geborgenheit sehnt. Bereits die vorgeburtliche Entwicklung spielt eine Rolle und das Neugeborene, der Säugling und später das Kleinkind wird im Normalfall die Zuwendung, Wärme, Liebe und Versorgung als Schutzbefohlener erleben.
In diesem frühen Lebensabschnitt wird die Grundlage für das Urvertrauen und die Gewissheit der erforderlichen Hilfe gelegt. Die „haut“-enge Beziehung zwischen einer Mutter und ihrem Kind bildet in ihrer weiteren praktizierten Form – idealerweise in einer intakten Familie – Nährboden für das Heranwachsen eines stabilen Menschen, dessen Psyche emotionale sowie soziale Kompetenz aufweist.
Die Entwicklung von Körper, Geist und Seele muss gleichermaßen genährt und gepflegt werden. Wer von klein auf viel Liebe, Zuwendung und ernsthafte Aufmerksamkeit empfangen hat, wird zumeist auch als Erwachsener anderen gegenüber so handeln.
Leider gibt es sehr oft Beispiele, wo diese Geborgenheit, das positive Vorleben von Eltern mit ihrer gegenseitigen Wertschätzung in der familiären Beziehung gestört ist oder sogar fehlt. Darin können für das Kind die Wurzeln liegen für die spätere Unfähigkeit, sich als Erwachsener dauerhaft an einen Partner zu binden.
Was ist Beziehungsangst?
Beziehungs- oder Bindungsangst ist eine psychische und körperliche Reaktion eines Menschen, sich nicht auf Dauer an einen anderen Menschen zu binden. Eine Partnerschaft wird dadurch erschwert, dass der Betroffene, der unter dieser Angst leidet, sich immer ein „Flucht-Hintertürchen“ offen halten will.
Es ist oft ein länger anhaltender Zeitabschnitt (oder sogar ein Leben lang), in dem der Betreffende es allein nicht schafft, sein auf Distanz ausgerichtetes Leben zu ändern und damit glücklicher zu werden.
Ursachen und Erscheinungsformen der Beziehungsangst
Die Entwicklung der Psyche kann durch (oft unbewusste) Beziehungsprobleme von Eltern zum Kind gestört oder unterbunden sein. Wenn eine Beziehung und beständiges Zusammenleben möglich sein soll, muss der Mensch fähig sein, sich in den anderen Menschen hineinzuversetzen. Das sich Hineinfühlen wird als Empathie bezeichnet. Entsprechend den Bedürfnissen des Partners wird durch die eigene Wahrnehmung es erst möglich, dem anderen zu helfen, mit ihm zu fühlen oder auch mit zu leiden.
Bindungen nicht eingehen zu müssen und somit auch keine Verpflichtungen zu haben und keine Enttäuschungen zu erleben, können folgende Ursachen haben, die unter anderem bereits im frühkindlichen Entwicklungsstadium wahrgenommen wurden:
- Verlustängste (Trennung der Eltern)
- Tod eines Familienangehörigen
- Negative Erfahrungen (Enttäuschungen in der vergangenen Partnerschaft, Missbrauch, Lügen, Liebesentzug)
- Ausgenutzt werden
- Ungleiche Behandlung von Geschwisterkindern
- Sozialschwaches Umfeld
- Alkohol- oder Drogenauswirkungen
Es verbindet sich oft körperlicher und seelischer Schmerz bei denjenigen, die an diese „traumatischen“ Erlebnisse erinnert werden und sich vornehmen: Lieber allein, als derartiges psychisches Leid und körperliche Schmerzen wiederholt zu erleben. Permanentes Kritisieren, Überforderungen und daraus resultierende Fehler tragen ebenfalls dazu bei, dass Ängste vor Bevormundung sowie den Erwartungshaltungen nicht gerecht zu werden, entstehen können.
Folgende Erscheinungsformen der Ängste gibt es:
- Vor Nähe (körperlich in einer Beziehung sowie der Aufbau eines engen Freundeskreises)
- Vor den eigenen Gefühlen und die der anderen mit allen Auswirkungen
- Vor Unterordnung und mangelndem Selbstwertgefühl
- Vor Kontrollverlust
- Vor schmerzhaften Enttäuschungen und Verletzungen
- Vor fehlender Akzeptanz
- Vor Aufgabe der Selbstständigkeit
Die Auswirkungen spiegeln sich in Verhaltensweisen und Entscheidungen wieder, die beispielsweise einen häufigen Partnerwechsel zu Folge haben. Mangelnde Entscheidungsfreudigkeit und Kommunikation sowie die Absicherung, damit „nichts schief läuft“ – kennzeichnen Betroffene, deren Rückzug in ihr „sicheres Terrain“ von anderen oft als Unnahbarkeit interpretiert wird. Eine emotionale und soziale Distanz kann zur Vereinsamung führen.
Beziehungsängste überwinden – Therapieformen
Meist sind Begleiterscheinungen, wie Herzklopfen, innere Verkrampfungen und Beklemmungen bei Bindungs- und Beziehungsängsten belastend. Die Angst, nichts falsch zu machen, dämpft einen ungezwungenen Umgang mit anderen Menschen. Sie ist leider oft dominierend gegenüber der Freude im Verliebtsein. Aber: „No Risk – no Fun“!
Hundertprozentige Sicherheiten gibt es im menschlichen Leben nicht. Aber gegen Ängste kann eine Psychotherapie sinnvoll und erfolgreich sein. Erlebtes mit professioneller Unterstützung verarbeiten ist wichtig, um für eine Beziehung und dauerhafte Bindung bereit zu sein.
Die negativen Erfahrungen in der Vergangenheit müssen sich nicht wiederholen. Die Chance, dass ein erfülltes und glückliches Leben in einer (neuen) Beziehung möglich ist – sollte mit Glauben daran, Liebe, Hoffnung, Verständnis und notwendiger Geduld gestärkt werden.
Neue, positive Erfahrungen bereichern das eigene sowie das gemeinsame Leben.
Sich selbst nicht als unwert und hilflos betrachten, sondern als einen liebenswerten Menschen, der ein Recht auf eigene Wünsche und Individualität hat.
Das Neue nicht nur mit Altem, Vergangenem vergleichen. Das Gute stärken, auch im Wollen zur Bereitschaft auf eine Bindung. Lieben und geliebt zu werden – „es muss etwas Wunderbares sein“!