Viele frischgebackene Eltern kennen die herausfordernden Momente, in denen ihr Baby in den Abendstunden scheinbar grundlos weint und sich nur schwer beruhigen lässt. Das abendliche Schreien verschwindet in der Regel nach den ersten drei Lebensmonaten. Lange wurden die sogenannten „Drei-Monats-Koliken“ als Ursache vermutet, heute weiß man, dass diesem Phänomen eine emotionale Überforderung des Säuglings zugrunde liegt, die mit einer enormen Stressbelastung einhergeht.
Wenn auf die Sinne eines empfindlichen Menschen im Laufe des Tages ununterbrochen optische und akustische Eindrücke einwirken, kann das Gehirn diese irgendwann nicht mehr verarbeiten. Nicht nur junge Säuglinge, auch viele Kinder und Erwachsene leiden dann unter einer Reizüberflutung, denn aufgrund der intensiven Eindrücke und Reize sind Gehirn und Nervenzellen schlichtweg überfordert.
In extremen Fällen und unter bestimmten Umständen kann eine Reizüberflutung sogar psychische und körperliche Krankheitssymptome oder ernsthafte Verhaltensstörungen zur Folge haben. Daher ist es wichtig, bei ersten Anzeichen einer Überforderung des Wahrnehmungsvermögens gezielte Maßnahmen zu setzen, um im negativen Sinne überwältigende Sinneseindrücke zu reduzieren, die Psyche zu entlasten und Momente ausgleichender Ruhe in den Alltag zu integrieren.
Auslösende Faktoren und Ursachen einer Reizüberflutung
Ob das Gehirn die täglichen Sinneseindrücke verarbeiten kann oder nicht, hängt maßgeblich von der individuellen Lebensweise, der direkten Umgebung und der psychischen und körperlichen Konstitution eines Menschen ab. Wer in einer Großstadt lebt, beruflich viel mit modernen Medien arbeitet oder einen hektischen Lebensstil pflegt, kennt meist das Problem, abends nicht richtig abschalten zu können. Wenn das Gehirn tagsüber ununterbrochen mit intensiven Reizen unterschiedlicher Art konfrontiert wird, kann es diese irgendwann nicht mehr verarbeiten.
Grundsätzlich nehmen Menschen im Laufe des Tages unzählige Sinneseindrücke wahr, ohne dass es deshalb zu einer Reizüberflutung kommen muss. Geräusche und Bilder, die im Alltag, in zwischenmenschlichen Begegnungen oder in der Freizeit auf das Gehirn einwirken, werden nicht automatisch als mühsam oder gar überfordernd wahrgenommen, sondern in der Regel als positiv oder neutral empfunden. Auch eine vorübergehende Reizüberflutung wie etwa durch einen lauten Actionfilm, eine nächtliche, mit dem ständigen Wechsel von Licht und Dunkelheit verbundene Autofahrt oder eine unerwartet intensiv schmeckende Speise kann das Gehirn in der Regel gut verarbeiten.
Problematisch wird das Einwirken verschiedener Reize jedoch dann, wenn zwischen der Flut an Eindrücken keine Zeit der Erholung bleibt oder ein Mensch aus beruflichen oder sozialen Gründen grundsätzlich einer hohen Stressbelastung ausgesetzt ist.
Moderne Medien, das permanente Geräusch des Verkehrs, aggressive Werbung und bewegte Bilder können unter solchen Umständen bei empfindlichen Menschen dazu führen, dass diese Informationen irgendwann nicht mehr als sinnvoll erlebt und eingeordnet werden und sich die daraus resultierende Überforderung in Form von körperlichen oder psychischen Reaktionen manifestiert. In diesem Zusammenhang muss aber erwähnt werden, dass die Toleranzgrenze von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausfällt.
Während mancher Erwachsener nach einem hektischen Arbeitstag auch abends ohne Internet, lautem Fernseher oder Musik nicht auskommt, empfindet ein anderer schon die bunten bewegten Bilder im Kino als belastend oder sogar schmerzhaft. Auch bei Babys und Kindern fallen die Reaktionen auf intensive Sinneseindrücke sehr unterschiedlich aus. Manche Säuglinge haben auch nach abwechslungsreichen Tagen keinerlei Probleme, abends einzuschlafen, andere müssen schon nach einem Besuch bei den Großeltern stundenlang getragen oder gestillt werden, um zur Ruhe zu kommen.
Mögliche Auswirkungen und Symptome einer Reizüberflutung
So sehr die Toleranzgrenze von Mensch zu Mensch variiert, so unterschiedlich fallen auch die körperlichen und psychischen Reaktionen auf intensive oder andauernde Sinneseindrücke aus. Bei manchen Kindern, die im Alltag mit einer ständigen medialen Informationsflut konfrontiert sind, zeigen sich oft Verhaltensauffälligkeiten wie etwa ADHS, Konzentrationsschwierigkeiten oder Lernschwächen. Andere Kinder verlieren bis zu einem gewissen Grad ihren Realitätssinn und entwickeln dadurch Probleme, in der Familie oder in der Schule am sozialen Leben teilzunehmen.
Auch Erwachsene, die unter einer permanenten Reizüberflutung leiden, entwickeln häufig Konzentrationsstörungen, werden auffallend vergesslich und können dadurch die von ihnen erwarteten Leistungen nicht mehr zu hundert Prozent erbringen. Andere sensible Menschen, die im Alltag in übertriebenem Maße mit bunten Bildern und einer lauten oder intensiven Geräuschkulisse konfrontiert sind, zeigen ein aggressives, nervöses oder hyperaktives Verhalten und leiden unter Schlafstörungen oder Schlaflosigkeit.
Besonders problematisch ist eine Überforderung der Sinne, wenn als Folge einer zu intensiven Einwirkung von Reizen verschiedene Krankheitsbilder entstehen. Besonders häufig sind chronische Erschöpfungszustände wie etwa das Burn-out-Syndrom. Auch psychosomatische Erkrankungen wie chronische Schmerzzustände ohne organische Ursachen, Migräne oder Tinnitus können als Folge einer starken Reizüberflutung und der damit verbundenen Überforderung der Nervenzellen auftreten. Bei besonders empfindlichen Menschen, die gleichzeitig auch unter einer erheblichen Stressbelastung leiden, kann sich in weiterer Folge auch eine Psychose oder schwere Depression herausbilden.
Maßnahmen gegen Reizüberflutung
Wie und in welchem Ausmaß Reize auf die eigene Psyche einwirken, können Menschen bis zu einem gewissen Grad selbst beeinflussen. Alltägliche Geräusche wie Verkehr und Stimmengewirr oder im beruflichen Alltag einwirkende Bilder und andere Reize können natürlich kaum vermieden werden. Vor allem Stadtbewohner entkommen der Flut an Eindrücken im hektischen Alltagsleben kaum. In der Freizeit können gegen die Reizüberflutung jedoch sehr wirksame Maßnahmen zur Entlastung von Psyche und Körper gesetzt werden. Wer deutlich fühlbar unter einer Reizüberflutung leidet, sollte unbedingt einige Änderungen der Lebensgewohnheiten vornehmen.
Oft werden psychische Störungen oder psychosomatische Erkrankungen, die als Folge einer Überbelastung des Nervensystems durch Reize entstehen, medikamentös behandelt. Dies ist jedoch nur sehr selten notwendig oder im Falle von kindlichen Verhaltensauffälligkeiten wie Hyperaktivität sogar schädlich. Viel effizienter sind gezielte Maßnahmen, um die überfordernden Sinneseindrücke drastisch zu reduzieren. Dies beginnt schon bei der konsequenten Vermeidung von abendlichem Fernsehen oder Surfen im Internet, um der Flut der bewegten Bilder und Beeinflussung durch Werbung zumindest vor der Nachtruhe zu entgehen und einen erholsamen Schlaf zu fördern.
Um einer Reizüberflutung bei Kindern entgegenzuwirken und dadurch Verhaltensauffälligkeiten auf natürliche Weise zu behandeln, hat es sich besonders erfolgreich bewährt, kreative Tätigkeiten in den Alltag zu integrieren. Auch bei Kindern kommt es meistens durch zu viel Fernsehen und andauerndes Surfen im Internet zu einer schädlichen Reizüberflutung. Eltern, die die Zeit am Computer oder vor dem Fernseher konsequent reduzieren und ihre Kinder stattdessen liebevoll dazu anleiten, zu zeichnen und zu basteln, fördern die kindliche Konzentrationsfähigkeit und integrieren gleichzeitig Momente der Ruhe und Besinnung in den Alltag der Kleinen.
Auch durch Sinneseindrücke überforderte Erwachsene profitieren von kreativen Tätigkeiten wie etwa Handarbeit oder das Aufschreiben der Gedanken, um die Konzentration auf die inneren Empfindungen zu lenken und den Alltag in ruhiger Atmosphäre hinter sich lassen zu können. Bei Reizüberflutung und ihren Folgen ist es auch wichtig, viel Zeit in der freien Natur zu verbringen, denn die satten Farben und sanften Geräusche wirken ausgleichend auf das Gemüt und neutralisieren störende Sinneseindrücke nachhaltig.
Spaziergänge im Wald, ruhige sportliche Unternehmungen wie Wanderungen und Radtouren oder ein Familienurlaub auf einem Bauernhof wirken bei Reizüberflutung oft wahre Wunder. Auch Yoga gilt als hocheffektive Maßnahme gegen eine Überforderung der Sinne und kann Erwachsenen und Kindern dabei helfen, durch ruhige und bewusste Bewegungen die Beziehung zum eigenen Körper zu stärken und dadurch Konzentrationsstörungen oder Hyperaktivität auf sanfte Weise in den Griff zu bekommen.
Menschen, die unter Reizüberflutung und deren Folgen leiden, sollten auch Entspannungstechniken in den Alltag integrieren oder regelmäßig meditieren. Besonders Zen-Meditation und fernöstliche Kampfsportarten mit philosophischem Hintergrund haben sich bei einer Überforderung durch negative Sinneseindrücke erfolgreich bewährt. Sie bringen in einen von ständigen und teilweise überflüssigen Informationen geprägten Alltag jene Momente der Ruhe und Besinnung, die auch stressgeplagten Menschen wieder Kraft und Lebensfreude schenken.