Ohne dogmatische Regelsysteme, gänzlich gewaltlos und keiner Gottheit unterworfen – der Buddhismus gilt im Vergleich zu anderen Weltreligionen als einzigartig. Er blickt auf eine lange Geschichte zurück, die bis ins sechste vorchristliche Jahrhundert zurückreicht. Im Laufe der Zeit hat sich der Buddhismus in vielen Ländern Asiens verbreitet und unzählige neue Strömungen hervorgebracht.
Eines ist allen Ausprägungen innerhalb des Buddhismus gemeinsam: die Lehre vom ehrlichen und moralischen Leben, vom Ziel, gute Taten anzuhäufen, um für das nächste Leben ein gutes Karma zu erhalten. Erst mit dem höchsten Karma ist der Eintritt ins Nirvana möglich, dass das Ende des langen Kreislaufs zwischen Leben und Reinkarnation markiert.
Ursprung und Geschichte des Buddhismus
Der Buddhismus geht auf Gautama Siddhartha zurück, der um circa 563 vor Christi Geburt als Prinz einer Adelsfamilie geboren wurde. Er wuchs in Kaplavastu, einer nordindischen Provinz, in Reichtum und Luxus und religiös beeinflusst von den Lehren des damals vorherrschenden Hinduismus auf. Nach seiner privilegierten Kindheit und Jugend als Mitglied einer der höchsten Kaste angehörigen Familie soll Siddhartha als junger Mann, bereits verheiratet und Vater eines kleines Sohnes, einmal den väterlichen Palast verlassen und zum ersten Mal in seinem Leben außerhalb der Mauern verkrüppelte, alte und schwerkranke Menschen erblickt haben.
Die Erkenntnis, dass die wirkliche Welt von Leiden, Krankheit und Armut geprägt ist, veränderte seine gesamte Sichtweise und Lebensauffassung. Im Alter von 29 Jahren verließ Siddhartha daher seine junge Familie und wurde zunächst Asket, da er verstand, dass Reichtum und ein privilegierter sozialer Status ihn nicht vor Krankheit und Tod schützen könnten. Als er beinahe den Hungertod erlitt, realisierte er, dass auch diese Lebensweise nicht die Lösung der irdischen Probleme sein könnte. Als besitzloser Wandermönch machte er sich anschließend auf die Suche nach den Ursachen für das Leiden der Welt.
Im Alter von 35 Jahren soll Siddhartha schließlich, unter einer Pappelfeige sitzend, den Moment erlebt haben, den er selbst als Erleuchtung bezeichnete. Er erkannte, dass nur der Mittelweg zwischen Askese und Luxus den Menschen vor irdischem Leid bewahren kann. Dies führte dazu, dass Siddhartha das Kastensystem fortan ablehnte und Lehren formulierte, die er als alternativen Weg zu den etablierten gesellschaftlichen Regeln seiner Zeit verstand. Als Buddha, was übersetzt „der Erleuchtete“ bedeutet, zog er bis zu seinem Tod als Achtzigjähriger über vier Jahrzehnte lang durch Indien, um seine Lehren zu verbreiten.
Nachdem Buddha vermutlich im Jahr 483 vor Christi Geburt an einer Lebensmittelvergiftung verstarb, gelangten seine Grundlehren in viele Länder Asiens, wo es durch verschiedene kulturelle Einflüsse zur Entstehung neuer regionaler Strömungen kam. Auch wenn zwischen diesen kulturell geprägten Ausformungen und Interpretationen des Buddhismus viele Unterschiede bestehen, haben die von Buddha formulierten Lehrsätze bis heute allgemeine Gültigkeit.
Grundlagen und Lehrsätze des Buddhismus
Wer Buddhist ist oder werden möchte, muss zunächst eine Erkenntnis verinnerlichen: das gesamte irdische Dasein ist von menschlichen Begierden geprägt, die zu Schmerzen, Enttäuschungen und Leid führen. In allen buddhistischen Strömungen sind die „Vier edlen Wahrheiten“ Dukkha, Samudaya, Nirodha und Magga verankert, die den Grundsatz, den Ursprung und die Beendigung des Leidens sowie den Achtfachen Pfad der Ausübung umfassen. Der Achtfache Pfad beinhaltet die acht Glieder der rechten Einsicht und Gesinnung, rechten Rede, des rechten Handelns, des rechten Lebensunterhalts sowie das rechte Streben, die Achtsamkeit und die Konzentration. Menschen, die diesen Weg entlanggeleitet werden, erlangen Sittlichkeit, Weisheit und Vertiefung.
Im Buddhismus sind diese Schritte durch die Begriffe Karma, Samsara, Reinkarnation, Dharma, Erleuchtung, Pacceka-Bodhi, Samma-Bodhi und Nirvana als wichtigste Grundlagen definiert. Mit dem Nirvana verlässt der Körper endgültig das irdische Dasein. Gleichzeitig markiert das Nirvana das Ende aller Wiedergeburten einer Seele. Allerdings kann dieser Zustand, der im Buddhismus als Ort im Geiste mit rein subjektiver Interpretation definiert wird, nur mit einem neutralen Karma erreicht werden. Dies bedeutet, dass die Seele am Ende ihrer Reinkarnationen weder schlecht noch gut gewesen sein darf, damit sich der Kreislauf des irdischen Lebens schließen kann.
Ausprägungen und Strömungen des Buddhismus
Als ursprüngliche Form, die auf Siddharthas Lehren basiert, entwickelte sich zunächst der Hinayana Buddhismus. Er breitete sich in Indien aus, verlor hier jedoch später aufgrund der Eroberung durch den Islam und die Vorherrschaft des Hinduismus wieder an Bedeutung. Diese frühe Ausprägung umfasste ursprünglich insgesamt achtzehn Schulen, von denen heute nur mehr eine einzige existiert. Diese wird als Theravada-Buddhismus oder die „Schule der Ältesten“ bezeichnet und heute in Sri Lanka sowie in Kambodscha, Thailand, Myanmar, Vietnam und Laos praktiziert.
Im Theravada-Buddhismus liegt die Hauptbetonung auf der Achtsamkeits-Meditation. Diese wird im Sitzen ausgeübt und basiert auf einer bewussten Aufmerksamkeit auf die Körperempfindungen und den Atem. Auch die Körperbewegungen werden im Theravada durch langsames Gehen bewusst wahrgenommen. Im Zentrum dieser Strömung liegt ein Realitätsverständnis, das durch die ständige Veränderung der Lebensmomente, des eigenen Ichs und der eigenen Erkenntnisse geprägt ist.
Die Meditationen im Theravada schließen auch die Lehren über Mitgefühl, Liebe und soziales Engagement mit ein. Die Mönche studieren und rezitieren nicht nur die buddhistischen Schriften und veranstalten Zeremonien, sondern unternehmen auch Almosengänge, die es den Menschen ermöglichen, durch ihre Gaben Großzügigkeit und Mitgefühl bewusst zu leben.
Buddhas Lehren verbreiteten sich nach seinem Tod in verschiedenen Ländern Asiens. Die dort lebenden Menschen übernahmen aus dem Buddhismus jene Aspekte, die sich mit ihren eigenen kulturellen und religiösen Bräuchen harmonisch vereinbaren ließen. Dadurch entwickelten sich innerhalb dieser Religion verschiedene Systeme, die zwar die Kernkonzepte übernahmen, sich aber in der praktischen Ausübung von der ursprünglichen Form stark unterscheiden.
In Japan, China und Korea verbreitete sich die heute populärste Form des Buddhismus, die sogenannte Mahayana-Lehre. Als Leitfigur tritt in dieser Ausprägung ein erleuchtetes Wesen namens Bodhisattva hervor. Dieses verzichtet auf sein eigenes Nirvana, um anderen den Weg zur Erlösung zu ebnen. Ein weiterer Unterschied zur Theravada-Schule ist die Tatsache, dass im Mahayana-Buddhismus Reliquienkult und Wunderglaube einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Die Mönche führen häufig Zeremonien durch, die den Ahnen gewidmet sind und Merkmale konfuzianischer Kultureinflüsse tragen.
Im ostasiatischen Mahayana-Buddhismus werden zwei Traditionen unterschieden, die beide ihren Ursprung in China fanden. Das „Reine Land“ symbolisiert ein Paradies oder Land des Glücks. Anhänger rezitieren den Namen von Amitabha, des Buddhas des grenzenlosen Lichts, um in dessen reines Land zu gelangen. Die Ruhe des Geistes steht hingegen im Zen-Buddhismus im Mittelpunkt. Durch die Betonung auf die strikte Rezitation und Meditation befreien sich die Zen-Mönche vom begrifflichen Denken, wodurch sie Weisheit und einen reinen Geist erlangen.
Im tibetischen Buddhismus, der in Tibet, Nepal und Bhutan verbreitet und auch unter den Begriffen Vajrayana und Lamaismus bekannt ist, spielt der Klerikalismus eine bedeutende Rolle. Die Klöster üben auf das gesellschaftliche Leben Tibets einen großen Einfluss aus. Vor der Besetzung durch die Kommunisten Chinas lebten zwanzig Prozent der tibetischen Bevölkerung in buddhistischen Klöstern als Nonnen und Mönche.
Durch den Dalai Lama, der als charismatischer Führer einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist, hat heute vor allem der tibetische Buddhismus in der ganzen Welt viele Anhänger gefunden und sich unter Intellektuellen als Lifestyle-Philosophie etabliert. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass die Lehre des Vajrayana darauf abzielt, durch Praktiken wie Mantra und Yoga die Selbstheilung zu beschleunigen. Durch diese meditativen Techniken wird der tibetische Buddhismus von vielen Menschen in der westlichen Welt als effektive Methode zum Stressabbau und zur Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens aufgegriffen.
Besonderheiten im Vergleich zu anderen Weltreligionen
Mit Ausnahme des Buddhismus existiert in allen großen Weltreligionen ein Schöpfergott, der im Mittelpunkt des Glaubens steht. Diesem sind die Menschen untertan, was bedeutet, dass sich Gläubige dazu verpflichten, ihm gehorsam zu dienen. In diesem Aspekt besteht der wesentliche Unterschied zum Buddhismus. Buddhisten orientieren sich nicht an einem Schöpfergott, denn einen solchen gibt es nicht. Vielmehr geht es Buddhisten darum, den Menschen mit seinem irdischen Leben und seiner selbstdefinierten Suche nach innerer Befreiung von allen Fesseln, die mit dem Dasein auf der Erde verbunden sind, in den Mittelpunkt zu stellen.
In allen anderen Religionen tritt diese Selbstbefreiung und Selbstverantwortung in den Hintergrund, da sich die Gläubigen in ihrer Achtsamkeit nicht in erster Linie an sich selbst, sondern eben an dem alles dominierenden Schöpfergott orientieren sollen. Dies führte dazu, dass sich in vielen Weltreligionen die Meinung etabliert hat, der Buddhismus sei keine Religion, sondern müsste vielmehr als esoterische Strömung betrachtet werden.
Buddha sah sich weder als göttliches Wesen noch als Botschafter eines allmächtigen Gottes. Er wollte seine Philosophie nicht als dogmatische Lehre verstanden wissen, sondern als Anleitung auf dem Weg zur inneren Befreiung und zum wahrhaftigen Seelenheil. Dies brachte den Buddhisten im Laufe der Geschichte wiederholt den Ruf von „Gottlosen“ ein, die eher einer Sekte als einer Religion angehören. Solche Meinungen wurden insbesondere durch die diffamierenden Aussagen von ehemaligen Päpsten der römisch-katholischen Kirche geprägt.
Nach der Auffassung der Buddhisten führen andere Religionen zwar nicht auf den Weg der Erleuchtung, können in Bezug auf verschiedene Grundgedanken aber durchaus gemeinsam geltende Werte formulieren. Auch darin besteht ein wesentlicher Unterschied zu den großen Weltreligionen. Der Buddhismus lehnt diese per se nicht ab und bezeichnet sie auch nicht als Irrwege, sondern lediglich als Umwege auf dem Pfad zur Selbstbefreiung. Gleichzeitig negieren Buddhisten nicht die Existenz von Gottheiten anderer religiöser Strömungen, da das Göttliche nach deren Auffassung eine Form der Wiedergeburt darstellen kann.
In vielen Ausformungen des Buddhismus werden andere Vorstellungen und Gottheiten nicht ausgegrenzt, sondern dort, wo es möglich ist, sogar integriert. In diesem Zusammenhang steht der Buddhismus in starkem Gegensatz zu monotheistischen Religionssystemen wie dem Christentum, Judentum oder Islam, die aufgrund der Verneinung, Diffamierung oder Verfolgung Nichtgläubiger als exklusivistisch betrachtet werden müssen. Der Buddhismus hingegen trägt durch seine friedliche Einstellung anderen Religionen gegenüber eher inklusivistische Züge und stellt auch keine in den meisten anderen Glaubensrichtungen etablierte Absolutheitsansprüche.